Donnerstag, 11. Dezember 2008

Athener Spiegel-Bild

Kurz das Neueste in Sachen Athen. Täglich verfolge ich auch via Thomas' Blog die Geschehnisse in und um Athen. Doch heute ist mir etwas seltsames dabei aufgefallen. Aber zunächst die "tägliche Presseschau".

Artikel bei jetzt.de: hier
Interview bei jetzt.de: hier
Augenzeugen-Bericht bei Spiegel-Online: hier

Der Spiegel-Artikel ist vom 9.12., vorgestern, wo die Situation - besonders in dieser Form durch alle Medien dargestellt - noch etwas schlimmer war, wie Thomas auch heute in seinem Blog bestätigt (zumindest schreibt er, dass es heute besser ist). Im Augenzeugen-Bericht wird Thomas meines Erachtens nach aber viel zu extrem wiedergegeben, es klingt fast als hätte Bild diesen Artikel für den Spiegel geschrieben. Darum heute: Ein "BILD-Blog" für den SPIEGEL.

Spiegel Online zitiert Thomas mit den Worten:
Thomas Schörner ist deutscher Erasmus-Student in Athen. Seine Wohnung liegt in Sichtweite der Polytechnischen Universität im Zentrum der Stadt, von seinem Fenster aus beobachtet er seit Tagen die schweren Krawalle. Für SPIEGEL ONLINE beschreibt er seine Eindrücke.
Anmerkung:
Ob die Uni wirklich in Sichtweite ist, kann ich jetzt nicht beschwören, aber zumindest beobachtet Thomas die Krawalle nicht nur von seinem Fenster aus. Da sind zwar auch welche, aber nicht nur. Er war auch schon mehrmals in der Innenstadt und bei Demonstrationen. Zudem beschreibt er die Geschehnisse zuvorderst für seinen eigenen Blog (Freunde und Familie freuen sich zu wissen, wie es ihm geht, was passiert) und nicht für etwa Spiegel-Online. Tja, das wären Honorare...

Dass die Situation so ausartet, damit hat hier keiner gerechnet. Nach Einbruch der Dunkelheit traut sich kaum jemand vor die Tür.
Anmerkung:
Wenn das tatsächlich so stimmt - wie hat Thomas es dann geschafft, so viele Dokumentationen in seinem Bericht zu machen?

Ich ziehe jetzt erstmal zu Freunden in ein anderes Viertel.
Anmerkung:
Ach ja? Soweit ich weiß, hatte er das höchstens für den Fall überlegt, dass es schimmer werden sollte...

Nachtrag, 22.16 Uhr: Thomas ist tatsächlich umgezogen. "Für eine Nacht", wie er sagt. Er hatte aber Papiere etc. dabei. "Für den Fall der Fälle."

Da niemand weiß, wie lange die Krawalle anhalten, habe ich mich mit Lebensmitteln für mehrere Tage eingedeckt.
Anmerkung:
Und wie passt das dann bitte mit dem Umzug zusammen? Sieht so aus, als würde er doch da wohnen bleiben. Wie dem auch sei: Auf ne Gyros-Pita hätt ich jetzt auch Lust.

Die Straßenzüge der Leoforos Alexandras, auf der es in den vergangenen Nächten am heftigsten zur Sache ging, sind wieder komplett abgesperrt. Ich werde das Stadtzentrum jetzt erst einmal verlassen - sicher ist sicher."
Anmerkung:
Wieder das Thema mit der Wohnung... "Sicher" ist nur, dass er immer noch dort wohnt und sich die Lage beruhigt hat. Das kann man in dem Interview von jetzt.de nachlesen. Übrigens: Wohin sollte er denn ziehen, wenn er raus aus dem Stadtzentrum wollte? In die Vororte? Also da, von wo die ganzen Jugendbanden angerückt kamen und jetzt laut aktuellem Interview auch wieder sind? Keine gute Idee.

"Die Polizei wirft wahllos Tränengas in die Menge"
Anmerkung:
Alles klar, jetzt sind wir dann wirklich in der Bild-Redaktion angekommen. Erstens: Wir brauchen Bösewichte und Helden. Bösewicht: Die Bullen. Held: Augenzeuge Thomas, der sich unter Einsatz seines Lebens (bitte nicht ernst nehmen) um die Berichterstattung bemüht. Über das Wörtchen "wahllos" brauchen wir ja jetzt auch nicht wirklich zu diskutieren. Wie sollte die Polizei denn bei Dunkelheit und etlichen Feuern rundherum zu 100% unterscheiden, wer nun Randalierer und wer Passant war?
Schlimmer aber noch der Präsens, "wirft". Wirft die Polizei tatsächlich die ganze Zeit wahllos mit Tränengas um sich? Steht zumindest in der Überschrift. Im eigentlich Text stand dann aber "warf". Ja, schon ein kleiner Unterschied, oder? Immerhin hat Thomas als Augenzeuge berichtet, da können die Polizisten ja nicht jetzt immer noch wahllos Tränengas werfen. Schließlich kann Thomas nur über das berichten, was er gesehen hat. Was er jetzt so berichtet, kann man in seinem Blog nachlesen. Sollte man durchaus auch mal tun...

Also, lieber SPIEGEL, beliefere uns weiterhin mit spannenden Auslandsgeschichten. Aber das nächste Mal hör vielleicht ein bisschen besser zu, was Dir Deine Interviewpartner erzählen und lass Dir beim Schreiben nicht so viel vom Chef reinreden ("Das muss krasser klingen, mehr Action!").

Alles Gute,
Dein SPIEGEL-BILD Blog.

Nachtrag 22:22 Uhr: Thomas auf die Frage, ob der Redakteur von Spiegel Online nicht etwas übertrieben hat: "Eine Tendenz ist mir da schon aufgefallen. Sehr BILDig."

P.S. Für etwaige Korrekturvorschläge bin ich dankbar und werde sie im Falle des Falles umgehend einbauen.

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