Sonntag, 21. Dezember 2008

Der Letzte macht das Licht aus

So, zwischen Packen und Putzen am letzten Abend noch kurz zur Nordkap-Sache. Das wäre natürlich der Hammer gewesen, wenn das auch noch geklappt hätte. Aber die Planungen diesbezüglich waren leider etwas unrealistisch gewesen. Wir hätten es zwar schaffen können, das Kap zu erreichen, allerdings wären wir dann nicht mehr rechtzeitig zum Rückflug in Tromsö angekommen. Das Schiff hätte zu lange gebraucht und die Winterfahrpläne haben da letztlich auch nicht ganz mitgemacht.
Während der Fahrt zur Huskyfarm habe ich da auch mit einem Reiseleiter drüber gesprochen und das erste, was er gefragt hat, war sinngemäß: Warum wollt ihr eigentlich im Winter dorthin? Und vielleicht muss das dann einfach auch anerkennen, dass man da nicht eben einfach mal so hinfährt und wenn doch, bei kompletter Dunkelheit nullkommanix von der Umgebung zu sehen gewesen wäre. Insofern ist es zwar schade, dass es nicht gereicht hat. Aber auf der anderen Seite habe ich schon große Lust, dieses Abenteuer nächstes Frühjahr nachzuholen und habe insgeheim auch schon ein paar Pläne geschmiedet.
Letztendlich bin ich irgendwie auch froh, dass sich in diesem Fall nicht "der Kreis geschlossen" hat. Das hätte zwar was gehabt, aber so kann ich nächstes Jahr mit einem Reiseziel wiederkommen und habe noch was vor mir. Etwas, was nicht abgeschlossen ist. Das macht für mich den Abschied irgendwie auch leichter, denn man sich wieder auf was freuen, anstatt nur Trübsal zu blasen.
Die Situation hier im Wohnheim ist jetzt fast schon gespenstisch. Vereinzelt brennen noch Lichter, aber ich bin wohl einer der letzten, der hier abhaut. Die, die jetzt noch da sind, werden wohl Weihnachten hier bleiben. Nachdem ich jetzt die letzten Tage eigentlich nur noch darauf gewartet habe, wieder nach Hause zu gehen, bin ich nun froh, dass es morgen losgeht, zumal hier von Weihnachten auch nix zu merken ist.

Samstag, 20. Dezember 2008

Der Arktis so nah - Polaria

Nein, Polaria ist keine Krankheit. Zugegeben, es klingt ähnlich wie Malaria und nach meinem Bericht über die lange Dunkelheit könnte man tatsächlich vermuten, es gäbe so eine Art Krankheit, die aus der allgegenwärtigen Finsternis resultiert. Aber in der Realität ist das Polaria eine Art Erlebnis-Museum in Tromsö, wo alles ausgestellt ist, was so mit der arktischen Welt zu tun hat. Tromsö selbst ist im Grunde noch nicht wirklich in der Arktis, aber man könnte sagen, es ist das Tor dorthin.
Das Interessante an dieser arktischen Welt ist für mich, dass man nur so wenig darüber weiß. Wer war der erste Mensch am Südpol? Wisst ihr nicht? Das war Roald Amundsen aus Norwegen, 1911. Sowas kann man natürlich auch googeln. Aber eben auch selbst erfahren. Habt ihr zum Beispiel gewusst, dass Robben sechsmal so viele Nervenzellen an der Schnauze haben wie Katzen? Das erfährt man zum Beispiel von arktischen Tierpflegern. Wenn man schonmal da ist…
Eigentlich waren wir gar nicht so lange im Polaria. Doch waren die Eindrücke dort irgendwie ziemlich repräsentativ dafür, was da oben in Nordnorwegen los war. Schon interessant, wie Tiere da überhaupt leben können. Man braucht, wie könnte es anders sein, ein ziemlich dickes Fell... Ich habe auch ein kleines Video gemacht, von „Fußball“ spielenden Robben, viel Spaß damit.
Mein Aufenthalt hier geht, wie ihr wisst, dramatisch dem Ende entgegen. Morgen erfahrt ihr noch, wie das jetzt eigentlich mit dem Nordkap war und viel weiteres Wissenswertes.

Freitag, 19. Dezember 2008

Dog-sledding: a real adventure!

Was natürlich am besten gegen die Schwere der Dunkelheit hilft, sind Abenteuer. Und das hatten wir beim Schlittenhundrennen wirklich! Ich glaube, man nennt das nur "Rennen", weil die Huskys ganz schön Gas geben können, aber ein Wettrennen war es jedenfalls nicht. Alex und ich waren zusammen auf einem Schlitten und der Hundetrainer (Johan) auf dem anderen. Der Boss vorneweg und wir hinterher. Schön der Reihe nach.
In diesem Fall hatte die Dunkelheit aber etwas Gutes - ein unvergleichliches Flair. Schon auf dem Weg von Tromsö zu der Huskyfarm (70km, 90min Fahrtzeit) ist man sich vorgekommen, als würde man jetzt den Planet Erde verlassen. Kaum zehn Minuten aus der Stadt raus, hat man kaum noch die Hand vor Augen gesehen. Nichts, außer ein paar Siedlungen und Dörfer. Richtig lustig wurde es, als Morton, unser Fahrer, plötzlich meinte, dass wir jetzt ca. 40 Minuten fahren bis man das nächste Haus sieht. Ich denke jetzt nicht wirklich oft darüber nach, wie es ist bei zehn Grad minus im Nichts eine Autopanne zu haben. Aber bei diesem Anlass hätte uns dann wohl nur noch der Weihnachtsmann abschleppen können. Und ich war ganz sicher: Irgendwo da oben muss er gewohnt haben...
Angekommen auf der Farm, wurden wir erstmal "eingekleidet". Kiloschwere Boots, einmal komplette Wollschicht und ein Ganzkörperanzug, Marke "Michelin-Männchen", sollten uns gegen die Kälte von mittlerweile minus 15 Grad schützen. Auf ging's dann zu den Hunden, mit denen wir uns erstmal ein bisschen vertraut gemacht haben (schnüffeln, streicheln, sabbern) und sie dann selbst vor unseren Schlitten spannen durften. Kaum fünf Minuten in dieser Kälte, wurde einem zwar auch ein bisschen warm ums Herz, aber als man merkte, dass es jetzt gleich richtig losgehen sollte, drei Stunden lang, da schlotterten dann natürlich schon bisschen die Knie. Klar, die Kälte. Kaum waren die Huskys ins Geschirr eingespannt, hat sich irgendein Schalter in ihrem Hirn umgelegt und sie sind fast völlig ausgetickt - quasi auf "starten" programmiert.
Johan gab uns dann glücklicherweise doch noch ein paar Anweisungen, wie man den Schlitten steuert, wenn nötig anschiebt, die Balance hält und vor allem: bremst! Das war wirklich das Wichtigste, denn die Huskys sind völlig irre. Für die gibts nur "Gas" und ich würde mal schätzen, die Spitzengeschwindigkeit liegt so bei 30km/h, wenn sie zu fünft zwei erwachsene Personen auf dem Schlitten ziehen.
Angekündigt waren drei Stunden Fahrtzeit, also für jeden von uns 90 Minuten (immer einer sitzt vorne drauf auf dem Schlitten und einer steht dahinter, als "Fahrer") und das wurde auch wirklich eingehalten, wenn man das Essen dann auch mit einrechnet. In einem typischen "Sami"-Zelt gab es, Vegetarier aufgepasst, richtigen Rentier-Eintopf vom Feuer und als Nachtisch scheibchenweise "Lefze". Das war allerdings eine Süßspeise und nicht, was Deutsche darunter verstehen - für mich dennoch das Highlight, da 100% süchtig machend (Zutaten: Butter, Karamell-Käse, Zucker, Teig).
Die Fahrt auf dem Schlitten selbst war die meiste Zeit ein einziger Rausch und auch gar nicht mal ungefährlich. Die Hunde denken natürlich nur an sich und geben auch in Kurven Gas, so dass wir bestimmt fünf Mal frontal in einen Baum gefahren sind. Gott sei Dank ist der Schlitten nie gesplittert, sondern immer irgendwie abgerutscht, meistens aber so, dass man ihn kaum noch aufrecht halten konnte und er zu kippen drohte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten (woher soll man das auch können?), lief es dann aber schnell ziemlich flüssig und man hatte raus, was man machen musste. Mit das Gefährlichste war eigentlich auch das Anschieben am Berg (wenn man bergan fährt, denken die Hunde, dass man bremst und so muss man kräftig mit den Füßen anstoßen), so komisch das jetzt auch klingt. Wir sind die meiste Zeit einer Art Weg gefolgt, der aber nur ca. zwei bis drei Meter breit war - wenn man also schon am Rand des Weges gefahren ist und anstoßen wollte, blieb man auch gern mal beim Versuch anzustoßen knietief im Neuschnee stecken. Problem: Der Schlitten fährt weiter, umgebremst. Dann hilft nur noch ein Sprint (bergauf im Schnee als Michelin-Männchen, wie schön...), sonst kommt wieder der Weihnachtsmann ins Spiel... Alex konnte sich einmal zum Glück noch irgendwie am Griff des Schlittens festhalten, bisschen mitgeschleift, beim Fahren wieder hochgezogen und weiter ging's. Adrenalin pur.
Insgesamt sind wir so zwischen 20 und 30 Kilometern gefahren, nicht ganz so leicht einzuschätzen. An diesem Tag war Vollmond und das Ganze bekam dadurch eine mystische Atmosphäre, als wir durch etliche Waldgebiete, Täler und Lichtungen gebraust sind. Leider hatte der Vollmond auch den Nachteil, dass dadurch die Nordlichter nicht so klar zu sehen waren (generell bei schwachem Mond besser, weil insgesamt dunkler), aber immerhin haben wir sie wenigstens ein bisschen gesehen. Wenn auch nicht annähernd so wie auf den Postkarten. Das Huskyrennen kann ich auf jeden Fall nur weiterempfehlen. So in der unberührten Natur im letzten Fleck von Norwegen auf einem Schlitten durch die mondbeleuchtete Winterlandschaft der Arktis zu düsen, war wirklich ein unvergessliches Erlebnis.

Unerkannt im Winterland, oder: Zehn Tage Dunkelheit

Es ist so traurig wie wahr: Seit mittlerweile 10 Tagen habe ich kein Sonnenlicht mehr gesehen. Wenn man morgens aufwacht, dunkel. Beim Mittagessen: dunkel. Und nachmittags dann sowieso. Mittlerweile lässt es sich in Oslo eigentlich sowieso nicht mehr zwischen hell und dunkel unterscheiden, sondern nur noch zwischen schwarz und grau. Gegen zehn Uhr morgens wird es dann hell, halt falsch: grau, jedenfalls ist es ab da nicht mehr "Nacht". Der Unterschied ist aber nicht wirklich groß, denn weiter als bis zum nächsten Haus kann man meist nicht sehen - eine dicke Nebelschicht liegt auf der Stadt. Gegen 15 Uhr schwindet das Grau und mit ihm das letzte vorhandene Licht. Komischerweise klart der Himmel dann oft auf, so dass man fast denken könnte, er wollte einem nochmal zeigen, wie schön es heute hätte werden können.
In der Woche bevor ich nach Tromsö gefahren bin, habe ich oft bis nachts Hausarbeit geschrieben und bin erst mittags aufgestanden, so dass ich dann nur noch ein bis zwei Stunden Licht mitbekommen habe. In Tromsö hat sich dann die Aufteilung in Tag und Nacht entgültig aufgelöst. Da dort die Sonne überhaupt nicht mehr aufging, war man eigentlich den ganzen Tag müde. Nach anfänglicher Faszination schlägt das Ganze dann doch etwas aufs Gemüt. Teilweise sind Alex und ich erst 13.30 Uhr aufgewacht und um 16 Uhr im Bus schon wieder eingeschlafen. Wenn die Dunkelheit einen dauerhaft umgibt, macht sich das wirklich körperlich bemerkbar. Klar ist das auch mit der Zeit vom Gefühl her bedrückend, aber vor allem körperlich spürt man das, wie als hätte man den ganzen Tag diese Bleischürze vom Röntgen an. Es fällt wirklichs chwer sich "aufzuraffen". Als wir in der "Abenddämmerung" von Tromsö "morgens" aufgewacht sind, dachte man beim Frühstück dann oft schon, dass man bald ins Bett geht. Etwas bizarr war das schon. Heute habe ich meine letzten Erasmus-Unterlagen in der Uni abzeichnen lassen und als ich da so durch die Uni lief, passierte fast etwas Magisches: Hinter der Wand aus Nebel sah ich etwas immer heller Werdendes. Es hätte sich auch beinahe durch die Wand durchgekämpft, wäre da nicht eine dunkle fette Wolkenschicht dazwischen gekommen. Und so kam es zu meiner fast-Begegnung mit Wärme spendenden gelben Ball. Die Vorstellung ist zwar im Moment noch komisch und weit entfernt, aber ich kann euch sagen, ich bin gerade richtig froh, dass ich Silvester in Valencia feiern werde. 18 Grad sind es heute dort - immerhin 30 (!) mehr als teilweise in Tromsö...

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Ich bin fertig

Ich wollte nur mal eben anmerken, dass soeben meine 20seitige Hausarbeit fertig geworden ist. Lange hat es gedauert, aber jetzt bin ich wirklich fertig. In jeder Hinsicht. Über den Trip gen Norden und alles weitere berichte ich gerne wieder ab morgen. Jetzt wird erstmal laaange geschlafen. Und wenn ich morgen aufwache, hoffe ich, dass ich nach knapp zehn Tagen endlich mal wieder Sonnenlicht sehe.

Samstag, 13. Dezember 2008

Über den Wolken

Hier noch drei Bilder, vom Flieger aus fotografiert.

Blick durch die Dunkelheit auf schneebedeckte Eis-Inseln.













So sieht es aus, wenn fast die Sonne aufgeht. 










Nur ein bisschen rot am Himmel, bis sie relativ schnell wieder verschwindet - und wieder untergegangen ist. 


Tromsö: Wie vom anderen Stern

Hallo zusammen,
beste Grüße aus der Arktis, ich bin in Tromsö angekommen! Nachdem Alex gestern Abend gegen 23 Uhr reingeschneit kam und noch kurz meine WG verabschiedet wurde (bei meiner Rückkehr sind alle ausgezogen), ging es dann weiter zur Erasmus-Abschiedsparty (relativ unspektakulär). Da die einzige Möglichkeit zum Flughafen zu kommen mit dem Bus zur unchristlichen Zeit um 5.26 Uhr bestand, entschieden wir uns direkt von der Party zum Flughafen zu fahren. Gegen 4.30 Uhr sind wir also heim, haben gepackt und los ging's.
Der Flieger ging um 7.35 Uhr und gegen 10 Uhr kamen wir mit drei Stunden Schlaf in Tromsö an - in völliger Dunkelheit. "Hell" wurde es erst eine halbe Stunde später, aber nur so hell wie es ohne Sonne sein kann und auch nur für ca. 2,5 Stunden. Die Helligkeit zwischen 10.30 und 13 Uhr ist in etwa vergleichbar mit der Abenddämmerung in Oslo nach Sonnenuntergang. Wirklich hell wird es also nicht (nur etwa 45 Minuten), aber komplett dunkel bleibt es auch nicht.
Tromsö ist sehr klein und sehr arktisch, von einer Stadt kann kaum die Rede sein und irgendwie hat man auch das Gefühl, dass in der "Innenstadt" trotz ein paar Leuten auf der Straße so gut wie gar nicht gesprochen wird. So richtig lustig unterwegs ist hier keiner und irgendwie ist das auch verständlich, wenn man weiß, dass man die Sonne erst im März wieder sieht. Umso unverständlicher, dass wir heute (am Samstag Abend!!) kurz vor sechs im Supermarkt standen und kein Bier mehr verkauft wurde. Das gibt's hier am Wochenende nur bis 16 Uhr (in Oslo bis 18 Uhr). 
Die Stadt selbst besteht aus zwei Teilen mit einem größeren Fjordsee in der Mitte. Es liegen ungefähr 50 cm Schnee und es sind, wie in Oslo, minus 5 Grad. Heute ist der einzige Tag mit klarem Himmel und die Chance grundlegend gut, um Nordlichter sehen zu können. Auch dafür gibt es Voraussagen, die stehen aber für die Zeit, in der wir hier sind, relativ schlecht. Es gibt eine Skala von 1-10 und heute sind wir nur bei 2. Kann also sein, dass das nichts wird. Probieren werden wir es heute 
Abend dennoch, es gibt da wohl ein paar Geheimtipps auf ein paar Hügeln. Richtig vorstellen kann ich mir das zwar noch nicht, aber ich hoffe natürlich insgeheim trotzdem darauf. Wäre schon super, wenn man das mal miterleben könnte.

 Auch wenn's nix mit Nordlichtern werden sollte, haben wir uns morgen für eine längere Expedition mit Husky-Schlittenrennen angemeldet, das wird sicher cool werden. Leider auch unsäglich teuer, aber dafür wohnen wir ja umsonst bei Marie, die wir vom Sprachkurs kennen. 
Die ganze Wohnsiedlung hier ist wie aus dem Bilderbuch und die Studenten dementsprechend besser drauf als die Leute in der Stadt. Wir sind hier quasi in einer utopischen Schneelandschaft mit Blick auf den Fjord und riesige schneebedeckte Berge ringsherum. Kann man schwer beschreiben, sehen für mich aber aus wie man sich so richtige arktische Eisgletscher sieht. 
Schon wenn man in Tromsö ankommt und zu allen Seiten diese Berge sieht, fühlt man sich schon sehr sehr weit nördlich. 
Das sehr winterliche Tromsö ist auf jeden Fall anders als alles, was ich bisher in Norwegen gesehen habe. Man kommt sich fast vor wie auf einem anderen Planeten, nicht nur wegen 21 Stunden Dunkelheit am Tag.

Freitag, 12. Dezember 2008

Nachtschicht am Nordpol

Ich weiß noch genau, vor fünfeinhalb Jahren war das. Zu dieser Zeit habe ich bei einem größeren Unternehmen Ferienarbeit gemacht um mit Urlaube und Klamotten zu finanzieren. War gar nicht leicht da was zu kriegen, aber der Vorstand meines Fussballclubs war Personalchef. Wie praktisch. Fünf Wochen hab ich da gearbeitet und die letzte davon Nachtschicht. Von Sonntag Abend bis Samstag morgen, 6 Nächte. Ich weiß noch, die erste Nacht fiel mir ziemlich schwer, aber danach gings. Sehr gut sogar, denn ziemlich schnell merkte ich, dass das genau mein Ding war nachts zu arbeiten. Diese Ruhe, keiner stört. Volle Konzentration. Und irgendwie ist das auch eine ganz andere Ebene, nachts.

Der Nachteil an der Sache war, dass ich natürlich tagsüber geschlafen hab und sich relativ schnell ein Parallel-Leben entwickelte. Ich arbeitete, während alle anderen schliefen und umgekehrt. Wie in einer Luftblase, in einer gut bezahlten. So ähnlich ist das Leben in Oslo momentan auch, nur ohne Bezahlung. Die letzten fünf Tage (eher Nächte) habe ich alles in die letzte Hausarbeit investiert und, wie Basti sagen würde, „durchgerockt“. Meistens bis drei oder vier Uhr in der Nacht und dann am nächsten Tag gegen 13h wieder aufgestanden. Bald nach dem Frühstück wurde es dann wieder dunkel und ich hatte mein Arbeitsumfeld zurück - die Nacht.

Günther Jauch hat zwar zweimal sein Studium abgebrochen, trotzdem hab ich mal gelesen, dass er gerne studiert hat (bevor der dann die Karriere vorzog), besonders aufgrund der Arbeitszeiten: „Vorzugsweise nachts und am Wochenende“. Bei der Nachtarbeit stimme ich mit ihm überein, nicht aber was das Wochenende angeht. Heute Abend exakt 21 Uhr schalte ich den Computer aus (der erste Kraftakt ist dann geschafft) und widme mich wieder dem Leben. Alex kommt um 22 Uhr, danach geht’s zur Erasmus-Abschiedsparty und morgen früh 5 Uhr aufstehen um den Flieger nach Tromsø zu kriegen. Dort verschwimmen dann endgültig Tag und Nacht, wegen den Lichtverhältnissen. Macht aber nix, mit der Dunkelheit kenn ich mich ja bestens aus.

P.S. Gestern war auch das Abschiedsessen in meiner WG, stilecht gab es Frühlingsrollen von meinen vietnamesischen Freunden, die heute morgen schon abgereist sind.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Athener Spiegel-Bild

Kurz das Neueste in Sachen Athen. Täglich verfolge ich auch via Thomas' Blog die Geschehnisse in und um Athen. Doch heute ist mir etwas seltsames dabei aufgefallen. Aber zunächst die "tägliche Presseschau".

Artikel bei jetzt.de: hier
Interview bei jetzt.de: hier
Augenzeugen-Bericht bei Spiegel-Online: hier

Der Spiegel-Artikel ist vom 9.12., vorgestern, wo die Situation - besonders in dieser Form durch alle Medien dargestellt - noch etwas schlimmer war, wie Thomas auch heute in seinem Blog bestätigt (zumindest schreibt er, dass es heute besser ist). Im Augenzeugen-Bericht wird Thomas meines Erachtens nach aber viel zu extrem wiedergegeben, es klingt fast als hätte Bild diesen Artikel für den Spiegel geschrieben. Darum heute: Ein "BILD-Blog" für den SPIEGEL.

Spiegel Online zitiert Thomas mit den Worten:
Thomas Schörner ist deutscher Erasmus-Student in Athen. Seine Wohnung liegt in Sichtweite der Polytechnischen Universität im Zentrum der Stadt, von seinem Fenster aus beobachtet er seit Tagen die schweren Krawalle. Für SPIEGEL ONLINE beschreibt er seine Eindrücke.
Anmerkung:
Ob die Uni wirklich in Sichtweite ist, kann ich jetzt nicht beschwören, aber zumindest beobachtet Thomas die Krawalle nicht nur von seinem Fenster aus. Da sind zwar auch welche, aber nicht nur. Er war auch schon mehrmals in der Innenstadt und bei Demonstrationen. Zudem beschreibt er die Geschehnisse zuvorderst für seinen eigenen Blog (Freunde und Familie freuen sich zu wissen, wie es ihm geht, was passiert) und nicht für etwa Spiegel-Online. Tja, das wären Honorare...

Dass die Situation so ausartet, damit hat hier keiner gerechnet. Nach Einbruch der Dunkelheit traut sich kaum jemand vor die Tür.
Anmerkung:
Wenn das tatsächlich so stimmt - wie hat Thomas es dann geschafft, so viele Dokumentationen in seinem Bericht zu machen?

Ich ziehe jetzt erstmal zu Freunden in ein anderes Viertel.
Anmerkung:
Ach ja? Soweit ich weiß, hatte er das höchstens für den Fall überlegt, dass es schimmer werden sollte...

Nachtrag, 22.16 Uhr: Thomas ist tatsächlich umgezogen. "Für eine Nacht", wie er sagt. Er hatte aber Papiere etc. dabei. "Für den Fall der Fälle."

Da niemand weiß, wie lange die Krawalle anhalten, habe ich mich mit Lebensmitteln für mehrere Tage eingedeckt.
Anmerkung:
Und wie passt das dann bitte mit dem Umzug zusammen? Sieht so aus, als würde er doch da wohnen bleiben. Wie dem auch sei: Auf ne Gyros-Pita hätt ich jetzt auch Lust.

Die Straßenzüge der Leoforos Alexandras, auf der es in den vergangenen Nächten am heftigsten zur Sache ging, sind wieder komplett abgesperrt. Ich werde das Stadtzentrum jetzt erst einmal verlassen - sicher ist sicher."
Anmerkung:
Wieder das Thema mit der Wohnung... "Sicher" ist nur, dass er immer noch dort wohnt und sich die Lage beruhigt hat. Das kann man in dem Interview von jetzt.de nachlesen. Übrigens: Wohin sollte er denn ziehen, wenn er raus aus dem Stadtzentrum wollte? In die Vororte? Also da, von wo die ganzen Jugendbanden angerückt kamen und jetzt laut aktuellem Interview auch wieder sind? Keine gute Idee.

"Die Polizei wirft wahllos Tränengas in die Menge"
Anmerkung:
Alles klar, jetzt sind wir dann wirklich in der Bild-Redaktion angekommen. Erstens: Wir brauchen Bösewichte und Helden. Bösewicht: Die Bullen. Held: Augenzeuge Thomas, der sich unter Einsatz seines Lebens (bitte nicht ernst nehmen) um die Berichterstattung bemüht. Über das Wörtchen "wahllos" brauchen wir ja jetzt auch nicht wirklich zu diskutieren. Wie sollte die Polizei denn bei Dunkelheit und etlichen Feuern rundherum zu 100% unterscheiden, wer nun Randalierer und wer Passant war?
Schlimmer aber noch der Präsens, "wirft". Wirft die Polizei tatsächlich die ganze Zeit wahllos mit Tränengas um sich? Steht zumindest in der Überschrift. Im eigentlich Text stand dann aber "warf". Ja, schon ein kleiner Unterschied, oder? Immerhin hat Thomas als Augenzeuge berichtet, da können die Polizisten ja nicht jetzt immer noch wahllos Tränengas werfen. Schließlich kann Thomas nur über das berichten, was er gesehen hat. Was er jetzt so berichtet, kann man in seinem Blog nachlesen. Sollte man durchaus auch mal tun...

Also, lieber SPIEGEL, beliefere uns weiterhin mit spannenden Auslandsgeschichten. Aber das nächste Mal hör vielleicht ein bisschen besser zu, was Dir Deine Interviewpartner erzählen und lass Dir beim Schreiben nicht so viel vom Chef reinreden ("Das muss krasser klingen, mehr Action!").

Alles Gute,
Dein SPIEGEL-BILD Blog.

Nachtrag 22:22 Uhr: Thomas auf die Frage, ob der Redakteur von Spiegel Online nicht etwas übertrieben hat: "Eine Tendenz ist mir da schon aufgefallen. Sehr BILDig."

P.S. Für etwaige Korrekturvorschläge bin ich dankbar und werde sie im Falle des Falles umgehend einbauen.

Von Oslo nach Athen

Von mir gibt es wenig Neues heute, dafür aber ca. 4000 Kilometer südöstlicher bei Thomas in Athen. Sein Blog bekommt mittlerweile einiges an Medienecho und auch er selbst wurde mehrfach interviewt. Mein Institut in Münster hat das ganz gut zusammengefasst, weshalb ich gar nicht viel mehr Worte darüber verlieren möchte.

IfK-Student bloggt über die Unruhen in Athen

(10.12.2008) Während seines Auslandssemesters in Athen ist IfK-Student Thomas Schörner derzeit Zeuge der Unruhen in der griechischen Hauptstadt. In seinem Blog berichtet er hautnah von den Geschehnissen und erzielt damit große mediale Resonanz.

Der ursprünglich als Reisetagebuch konzipierte Blog „Im Schatten der Akropolis“ informiert seit Beginn der Unruhen am 7. Dezember ausführlich mit Videos, Fotos und Texten von den Straßenkämpfen. Mit seiner engagierten Berichterstattung erzielt Thomas Schörner stark steigende Zugriffsraten auf seinen Blog. Auch Medien wie Spiegel Online, die ARD und verschiedene Lokalzeitungen zitieren den IfK-Studenten als Augenzeugen.

Hier noch ein aktueller Überblick, wo man ein paar Artikel über Thomas finden kann:

Spiegel Online (langes Zitat): hier
Spreeblick.com: hier
Westfälische Nachrichten: hier

Auch einige andere Lokalzeitungen, vornehmlich aus dem Raum Münster, haben darüber berichtet, der Bericht ist immer der gleiche wie bei den WN. In der Tagesschau war heute auch wieder ein Bericht zur aktuellen Lage in Athen. Das Video findet ihr hier.

Wenn man Thomas dieser Tage im Internet googelt, findet man Vieles an Berichten, sein Name wird durch einige Foren geschleift und erscheint auf News-Plattformen. Nur eine Sache fiel mir dabei auf, die wohl nicht ihr Timing nicht schlechter verfehlen könnte als heute: Sein altes Wohngesuch auf der Internetplattform www.wg-gesucht.de, wo er zum 1.4.2006 (!) nach einer neuen Bude gesucht hatte. Das ist schon so daneben, dass man es fast schon wieder mit Humor nehmen kann. Sollte man aber nicht.

Damit das Ganze nicht insgesamt zu negativ wird, hier mal ein paar Bilder aus "besseren Zeiten" (ungefähr vor einem Jahr).



Mittwoch, 10. Dezember 2008

Oslo on ice

Es ist nun schon seit Wochen sehr kalt in Oslo, aber die letzten Tage waren wirklich relativ extrem. Entgegen meiner Voraussage ist die ganze Woche über doch nicht -8 Grad sondern nur -5. Ja, das ist schon etwas fies, muss man zugeben. Schon der Gang zum Supermarkt (250 Entfernung) will wohl überlegt sein, wenn im Zimmer die Heizung auf 25 Grad läuft. Auch in Tromsø, wo ich am Samstag sein werde, geht es „heiß“ her – dort sind es durchschnittlich noch 5 Grad kälter als in Oslo. Tromsø hat mittlerweile auch den Nullpunkt in der Wettervorhersage erreicht: „Sonnenauf“- und Untergang gleichzeitig um null Uhr, mit kriminellen 0 Sonnenstunden.
Aber ich will nicht klagen, zumindest ist deshalb auch der Schnee der letzten Woche liegen geblieben und draußen sieht alles schön friedlich aus (Dank an Stephan für die Bilder!). Ganz und gar nicht friedlich geht es zurzeit in Athen zu, wo Thomas Schörner sein Auslandssemester verbringt, und während ich hier in der Stadt mit dem Friedensnobelpreiszentrum wohne, ist er mittendrin in den Unruhen, die ganz Griechenland momentan erschüttern. Spiegel Online schreibt heute, dass für morgen ein Generalstreik geplant sei und eine Beruhigung der Lage momentan nicht absehbar sei, sogar seriöse Medien berichten von einer Lage, die „wie Krieg“ sei. Das ganze beobachte ich hier vom ruhigen Oslo aus nicht ganz sorgenfrei und verweise für weitere Infos aus gegebenem Anlass auf seinen Blog, bei dem ich übrigens seit Tagen der Verdacht habe, dass mehrere Medien nicht nur Fakten sondern auch teilweise ganze Sätze daraus entnehmen.
Ortswechsel. Zurück in Oslo bin ich gerade sehr beschäftigt mit meiner letzten Hausarbeit und versuche die nächsten Tage komplett durchzuschreiben um bis Freitagabend weitestgehend fertig zu werden. Das mag eventuell anstrengend klingen, aber in Anbetracht der Geschehnisse in Athen ist das Anstrengung in einer ganz anderen Dimension.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Abschied oder Aufbruch?

Heute in genau zwei Wochen endet meine Zeit in Oslo. Und da macht man sich schon so seine Gedanken, was man jetzt darüber denken soll. Abschied oder Aufbruch?
Die ersten meiner Bekannten hier sind schon abgereist und alle die noch hier sind, sind es wegen ihren Prüfungen, werden aber auch in den kommenden Tagen Oslo verlassen. Freitag Abend ist die Erasmus-Abschiedsparty. Was das angeht, stehen die Zeichen Richtung Abschied - und irgendwie ist das alles ganz unrealistisch für mich. Ich bin mir schon bewusst, dass ich bereits einige Monate hier bin und dennoch hat sich das Leben in Oslo so eingependelt, dass es ein sehr komischer Gedanke ist, dass sich bald etwas verändern soll (oder wird). So lange hat man auf das Auslandssemester hingearbeitet und -gehofft und jetzt ist es schon bald wieder rum - kaum zu glauben. Es ist ja nicht so, dass ich hier nichts erlebt habe (schaut mal in meinen Blog!). Und es ist auch nicht die Vorstellung komisch, bald wieder in Deutschland zu sein. Eher ist die Vorstellung komisch, bald nicht mehr in Oslo zu sein. Vielleicht ist das aber auch so, weil ich nicht direkt nach Münster zurückgehe, wo ich eigentlich wohne, sondern erstmal nach Hause (Weihnachten), dann nach Valencia (Silvester) und danach nach Hamburg und Düsseldorf für Praktika. Was jetzt wieder eher für Aufbruch spricht.
Zwei Semester hier zu bleiben, hätte sich aus verschiedenen Perspektiven für mich nicht wirklich gelohnt und wäre organisatorisch (gedankt sei's der deutschen Verwaltung) auch nicht möglich gewesen und im Bewusstsein, was mich nach dem Auslandsstudium in Deutschland dann erwartet (Aufbruch!), war ich in den letzten Monaten zufrieden damit, "nur" ein Semester in Oslo zu bleiben. Doch warum muss dieses eine Semester im Flug vorbei gehen und jetzt schon fast zuende sein (Abschied!). Ihr seht, darum drehen sich meine Gedanken momentan.
Interessant ist auch der Gedanke, wie es mit Oslo weitergehen wird. Jetzt gehe ich zwar bald weg (Abschied!), aber es wäre ohne Probleme und viel Geld möglich, im kommenden Jahr öfters wiederzukommen (Aufbruch!). Und doch, man kennt das ja: Jetzt ist die Euphorie dafür recht groß (Aufbruch!), aber ob man das dann wirklich macht oder machen kann, ist die andere Frage (Abschied!).
Im Moment bleibt mir wohl nichts anderes übrig als die Gedanken an den nahen Weggang (Abschied!) mit den Gedanken an den nahen Wintertrip Richtung Norden (Aufbruch!) zu vertreiben. Und bisher klappt das ja ganz gut.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Auf zum Nordkap! Oder: Faszination Reisen.

Man könnte ja schon denken, dass ich etwas bescheuert bin, sieht man sich dieser Tage mal das Wetter an. Oder etwas gesetzter formuliert, der Trip zum Nordkap sei unter Umständen etwas gewagt. Die Vermutung: Wenn es in Oslo schon so schneit, wie ist es dann erst am Nordkap nächste Woche?
Ich kann aber alle beruhigen, es ist alles gut durchdacht. Zumindest was die Rahmenbedingungen der Reise angeht, denn das Wetter lässt sich bekanntlich zwar voraussagen, aber bislang noch nicht ändern. Und ein Rückzug kommt ganz sicher nicht in Frage! ("Du bist hier um bis ans Ende zu gehen", trällert Silbermond in dem Lied, was ich grad höre.)
Statt sich aber mit dem Wetter zu beschäftigen, finde ich es wesentlich interessanter, die Gedanken einmal um das Reisen kreisen zu lassen. Und die interessanteste Frage ist eigentlich: Warum will man überhaupt weg von dort, wo man ist? Warum will ich nach Oslo, wenn ich im schönen Münster bin? Und warum zum Nordkap, von Oslo aus? Eine richtige Antwort darauf gibt es eigentlich gar nicht, also versuche ich es mal mit einer Gegenfrage: Warum denn nicht?
Auch interessant ist die Frage danach, wo man eigentlich hin will? Vermutlich denken meine Eltern jetzt: Warum denn ausgerechnet zum Nordkap und warum im Winter? Diese Antworten gehen nun leichter von der Hand. Für den Winter kann ich ja nichts und das Nordkap ist das attraktivste Ziel, dass mit so wenig Aufwand wie möglich das größtmögliche Abenteuer verspricht und letztlich alles noch in einem mehr oder weniger vernünftigem Rahmen hält. Auf die Frage, warum ich zum Nordkap will, könnte man auch schlicht antworten: Weil es geht.
Ich könnte verstehen, wenn jemand Einwände gegen diesen Trip hätte. Wenn jemand danach fragt, warum ich vier Tage lang Dunkelheit, eisige Temperaturen und komplett weg von der Zivilisation (um nicht zu sagen: an den Arsch der Welt) hin zu einem Punkt will, der sich der nördlichste Europas schimpft? Aber diese Frage ist in etwa so blöd wie die, danach zu fragen, warum Kolumbus mal nach Indien wollte. Er dachte halt, dass es ging. Und das ist es: Weil es geht! Weil es erreichbar ist. Weil es eben diese eine Gelegenheit ist, die vielleicht nicht so schnell wieder kommt.

Freitag, 5. Dezember 2008

Eis-Zeit

Gestern Abend erreichte mich ein Anruf, ich müsse heute unbedingt mit zum See kommen. Zum See? Im Winter? Ja, es werde morgen kräftig schneien. OK, zum See also. Der liegt etwa 200 Meter höher als das Wohnheim – quasi eine eingebaute Schneegarantie also.

Es hatte ja vorgestern schon geschneit und diesmal ist der Schnee auch liegen geblieben. Und was ich heute Vormittag an besagtem See antraf, war unglaublich. 30 Zentimeter Neuschnee! Der See, in dem ich im Sommer jeden Tag baden war, als ich hier in ankam – es gab ihn heute Morgen quasi nicht mehr. Alles zugeschneit, mit dicker Eisschicht drauf. So weit man sehen konnte nur Schnee und so einfach war das Sehen auch gar nicht, da der Schnee vertikal fällt und ins Gesicht peitscht. Von einem Schneesturm zu reden wäre jetzt vielleicht etwas zu übertrieben, aber länger als zwei Stunden habe ich es nicht an diesem See ausgehalten.

Man könnte sagen, jetzt ist wirklich Winter in Oslo. Heute und morgen soll es noch ordentlich schneien, danach wird es laut Wettervorhersage eine Woche lang durchschnittlich 8 Grad minus werden. Und anschließend wieder Schnee. Man könnte das Wetter jetzt verfluchen, weil man teilweise kaum noch vor die Tür gehen kann, aber irgendwie ist es auch ein Spektakel. Das gehört einfach zu Norwegen und wenn ich das nicht erlebt hätte, dann würde am Ende schon was fehlen. Bei diesen Witterungsverhältnissen denke ich manchmal an die Leute, die zwei Semester hier bleiben. Die werden ihren Spaß haben! Der richtige Winter (der eklige) kommt erst so im Januar und Februar, wie man sich hier erzählt, und es schneit teilweise bis in den April hinein. Von daher bin ich schon sehr zufrieden, dass ich den Winter mir mal eine kurze Zeit lang ansehen kann und dann auch wieder nach Hause komme. Mit anderen Worten: Ein norwegischer Gast.

Anfangs dachte ich ja ernsthaft darüber nach erst im Januar herzukommen, weil ich dachte, dass es sicher schön ist, wenn es immer mehr Sommer wird, die Tage heller und mit der Zeit alles immer schöner. Mittlerweile weiß ich, dass es besser war auf meine Eltern zu hören und im Sommer zu kommen. Denn der Winter vor Weihnachten ist nur kurz und die meiste Zeit war es schön. Dunkelheits-Depressionen hab ich hier nicht erlebt.

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Tun und lassen, was man will

Ist bloggen nicht was Schönes? Man hat eine Idee, schreibt sie auf, stellt sie in den Blog und teilt sie mit seinen Freunden. Manchmal fällt einem auch nur Käse ein, das gibt es auch. Man kann es dann aber trotzdem schreiben - es ist ja mein Blog! Kurz bevor ich mit anstrengenden Dingen wie Hausarbeiten anfange, muss ich immer aufräumen. Das gilt für mein Zimmer ebenso wie für meine digitalen Räume. Und heute habe ich dabei was Tolles gefunden: Käse, den jemand mal aufgeschrieben hatte, der aber nie veröffentlich wurde und den ich so nicht teilen konnte. Das hole ich heute nach - und wünsche euch damit ebenso viel Spaß wie mir.

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit kündige ich mein NEON-Abonnement (Kundennummer: xxxxxxxxxxxx) zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Sicher sind Sie an den Gründen für die Kündigung des Abos interessiert. Gerne möchte ich Ihnen diese im Folgenden skizzieren. Als ich NEON abonnierte, war die Zeitschrift jung, frisch und dynamisch. Konzipiert für junge oder junggebliebene Leute, deren Nerv das Heft mit seinen Themen zielsicher anpeilte. (Das ein oder andere Mal war man wirklich erstaunt darüber, wie in NEON genau das stehen konnte, was einen tatsächlich zur dieser Zeit tatsächlich am meisten beschäftigte.) Der Inhalt zeichnete sich durch qualitativ hochwertige und satirische Beiträge aus. Kurzum: Das Heft hatte Biss.

Mit der inhaltlichen Qualität stellte sich auch der Erfolg ein. Der stieg dem Konzept des Heftes aber anscheinend zu Kopf, denn nun quillt das vormals frische und knackige Magazin über vor Werbe- und Modebeilagen. Das mag Geld in die Kassen spülen, aber nicht für Lesevergnügen sorgen. Bunt ist nicht mehr der Inhalt sondern nur noch die Werbeseiten. Wo sind die Themen hin, die einem unter die Haut gehen? Wann wurden Sie das letzte Mal von NEON überrascht?

Das Leitmedium der Generation Golf hat sich leider zu einem elitären Organ der affektierten Koketterie entwickelt. Der Biss, der das Heft einst ausgezeichnet hat, ist leider nur noch als Emblem auf dem Polo-Shirt derer zu sehen, die es nun lesen.

Mit den besten Grüßen aus Münster,

xxxxxxx xxxxxx

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Neues vom Nordpol

Als ich heute Morgen aufwachte, war ich nicht mehr in Norwegen. Jedenfalls nicht in dem Norwegen, was ich bislang kannte. Letzte Nacht hat es kräftig geschneit und als ich heute Morgen aus dem Fenster sah, sah ich das, was ihr seht, wenn ihr in einen Winterreisekatalog schaut: eine Winterreiselandschaft. Endlich.
Eigentlich begann alles schon gestern Abend. Schon öfter hat es abends mal geschneit, selten ist es aber bis morgens liegen geblieben. Kein Schnee, kein Weiß, nur kalt. Intuitive Baumaßnahmen, die Schneemännern galten und bei einsetzendem Schnee auf die Schnelle errichtet werden sollten, mussten entweder der Kälte weichen oder der Nässe Tribut zollen. Abends stand ich noch am Fenster und erinnerte mich an eine Email, die ich in den letzten Tagen bekommen habe. "Hey, wie geht's Dir so am Nordpol? Gibt's was Neues?" Ja, heute schon.
Heute kann ich endlich alle Winter-Klischees präsentieren! Ein eingeschneites Wohnheim (sogar der Schneeschieber musste anrücken - wo sonst gibts das schon?), Bäume die unter Schneelasten wegknicken, Autos mit dicken weißen Decken auf dem Dach, dicke graue Schneewolken am Himmel und spielende Kinder, die sich mit molligen Anzügen und Schlitten winterlich fortbewegen.
Ich glaube, ich habe heute den ganzen Tag nur Fotos gemacht. Gleich morgens auf dem Weg zur Uni habe ich meine Kamera gezückt und ich könnte heute so viele Fotos in den Blog stellen, dass der platzten würde und die Leute von google mir auf die Pelle rücken würden. Fünf sollen also genügen. Stattdessen nehme ich lieber das Wetter zum Anlass und erzähle was, das zumindest in Richtung Nordpol geht: mein Trip zum Nordkap. Am 13.12. geht's früh morgens los nach Tromsø, von dort mit dem Schiff an der Küste entlang bis nach Honnigsvåg, dann die letzten 30 Kilometer bei wohl -25 Grad bis zum Nordkap (evtl. Bus, falls es da noch sowas gibt) und die ganze Strecke wieder zurück. Rückflug wieder von Tromsø am Abend des 16. Dezember.
Alles in allem wirklich ein lange Reise, auch wenn das vielleicht gar nicht so klingt: Die Entfernung von Oslo bis zum Nordkap (2151 Kilometer) ist vergleichbar lang wie die Entfernung von Oslo nach Rom. Besonders freue ich mich, dass Alex wieder mit dabei ist und wir diese Reise als Abschluss meines Auslandssemesters zusammen machen. 4000 Kilometer in vier Tagen zu zweit mit einem Ziel und null Sonnenlicht: Nordkap, wir kommen.

Sonntag, 30. November 2008

20 Wochen Oslo

Mit der Poesie ist's heute wieder vorbei, dafür gibt es mal Fakten: Heute vor exakt 140 Tagen, am 13. Juli, bin ich nach Oslo gekommen. An diesem Sonntag bin ich also 20 Wochen oder circa 5 Monate hier. Zurück schauen lohnt aber kaum, denn in die andere Richtung wird es langsam knapp: Mir bleiben nur noch 3 Wochen Restzeit und dann, tja dann, ist mein Auslandssemester schon wieder vorbei.
Aber keine Zeit für Sentimentalitäten, denn es steht wie immer viel an. Am 18. Dezember muss ich meine zweite Hausarbeit abgeben (für die letzte gab es unglaublicherweise ein "A"), 20 Seiten auf englisch aus dem Themengebiet "media and globalisation". Ich versuche etwas über die WM 2006 in Deutschland als globalisiertes Medienevent zu machen. Die Zeit bis zum 18.12 ist insofern knapp, da ich ja noch zum Nordkap will. Und das wird auch klappen! Mehr Infos dazu in den kommenden Tagen.
Passend zur Situation mit der Hausarbeit bringt Der Spiegel diese Woche die Titelgeschichte "Wege aus dem Stress". Schon lustig. Hab ich mir auch direkt mal gekauft, Neuigkeiten gibt es aber nur auf der Wissenschaftsebene (Dauerstress verändert das Gehirn - Schäden sind aber reversibel). Für den Alltag werden Meditation oder Yoga-Kurse empfohlen. Ich empfehle eine andere Methode: Den Stress positiv sehen (letzte Hausarbeit, danach scheinfrei) und danach Urlaub machen oder reisen. Wirkt wahre Wunder!
Und noch eine Neuigkeit: Heute wurde der Abschlussbericht des Forschungsprojektes veröffentlicht, bei dem ich in Münster mitgearbeitet habe. 6 Monate lang habe ich an die 1000 Wissenschaftsartikel über Nanotechnologie gelesen, bearbeitet und codiert. Und im Bericht? Finde ich natürlich keine Erwähnung. Für deutsche Verhältnisse nicht sehr ungewöhnlich. Zum Vergleich: 8 Wochen habe ich für Knut (ja, richtig, der Chef des internationalen Forschunsgprojektes in Oslo) gearbeitet, habe gelesen, übersetzt, zusammengefasst, geschrieben, mich gefreut, dass ich ihm helfen durfte und dass ich so mein Auslandssemester finanzieren konnte. Und am Ende bedankt ER sich bei MIR für meine Hilfe (im Grunde müsste es umgekehrt sein). In dem Kapitel seines Buches, an dem ich maßgeblich mitgewirkt habe, schreibt Knut als Fußnote: "I am grateful to Andreas Thieme for research assistance into the German texts." In Norwegen herrscht eben ein ganz anderer Umgang miteinander. Vielleicht ist das eine wesentliche Erkenntnis nach 20 Wochen Oslo.