Man stelle sich folgende Situation vor: In der Umkleidekabine eines Hallenbads befinden sich 30 Leute. Um einen herum: alles Frauen. Man ist dort natürlich als Frau, weil man eine Frau ist. Klar. 15 von den anderen Leuten liegen auf dem Boden, auf kleinen Isomatten - wie Gurken auf einem Teller. Sie tragen Windeln. Die anderen 15 knien vor ihnen und tragen Badeanzüge. Aber auch die Windelträger sind wasserfest gekleidet – was ist hier los? Des Rätsels Lösung: Willkommen zum Babyschwimmen in Oslo! Willkommen in Norwegen! Und: Willkommen in „Utopia“.
Warum Utopia? Meine Mom ist gerade zu Besuch und als Mutter hat sie natürlich eine ganz andere Wahrnehmung in einer fremden Stadt. Mütter, auch in fremden Städten, sehen vor allem eines: Kinder. Und die gibt es hier wegen der familienfreundlichen Politik reichlich. Und Mütter sehen auch andere Mütter. Die von den Kindern, die sie sehen. Sie tragen klitzekleine Sicherheitswesten, wenn sie Hand in Hand über die Straße laufen, sie tragen Gummistiefel in allen möglichen Farben und manchmal, wenn es kalt ist, sind sie auch von oben bis unten in Wolle eingepackt, so dass man kaum noch ihre Gesichter erkennt – also die Kinder jetzt. Die Mütter hingegen sind blond, sportlich, modisch – und natürlich kinderlieb. Und: Sie sind VIELE. Ausgestattet mit 3 Jahren Mutterurlaub und viel staatlicher Unterstützung (Muttergeld), schieben sie sich ihre futuristischen Kinderwägen durch die norwegische Landeshauptstadt, genießen das Leben – und zeigen ihren Kindern, wie man es genießt.
Doch damit nicht genug. Später, wenn die Kinder größer und die Aufgaben kleiner werden, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Warum nicht noch mal ein Studium aufnehmen, ein Haus bauen oder gar Künstlerin werden? Alles vom Staat unterstützt – letzteres sogar mit lebenslangem Stipendium. Es ist ja schon viel geschrieben worden über den familienfreundlichen Staat Norwegen, doch heute kommt ein neues Kapitel hinzu. Meine Mom meinte, „dass es ja immer diese Zukunftsfilme gibt“, Science Fiction, „in denen sich die Leute das spätere Leben vorstellen“ und wie man da eben so lebt. Und alle die Dinge, die in Deutschland in der Gegenwart (und irgendwie auch in der Zukunft?) schwierig bis unmöglich scheinen – Karriere trotz Kind, soziale Absicherung, keine Arbeitslosigkeit, eigenes Haus für alle, Bildung schier unendlich fördern – sind in Norwegen Realität. Man könnte auch sagen: „Das ist wie Utopia hier“. Quasi eine Insel! Eine, die von Müttern eben aus einer speziellen Perspektive wahrgenommen wird, da sie sehen, wie positiv Mutter-Sein sein kann. Oder wie positiv es wahrgenommen wird: Mutter-Sein ist in Oslo gewissermaßen „in“.
Tja, so lässt’s sich leben, als Mutter. Schade eigentlich, dass Männer keine Kinder kriegen können. Scheint doch ganz angenehm in Norwegen. Na ja, immerhin kriegen sie 6 Wochen Sonderurlaub nach der Geburt. Und ab und an mal früher frei. Wenn mal wieder Babyschwimmen ist…
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